Fritsch, E. (Der Hetzredner - Das Gewissen)

172 - Euro 240,-

172 Der Hetzredner ...
Die Wochenzeitung "Das Gewissen" kämpft für freies Volk und neue Führung

Flugblattplakat der Liga zum Schutze der Deutschen Kultur Berlin (früher "Antibolschewistische Liga"), hier mit Werbung für die jungkonservative Zeitung "Das Gewissen".
Text Arnd Jessen, Bildentwurf Ernst Fritsch, Deutschland 1919.
Druck H. Birkholz, Berlin W 35.
Größe 31,7 x 44,8 cm.
War gefaltet, vertikale Faltstelle gebräunt und leichter Farbabrieb, kleine Randeinrisse mit Japanpapier hinterlegt und minimale Eckfehlstelle unten links ergänzt.
Siehe Hans Sachs in : Das Plakat, 10. Jg. 1919. S. 446 ff. (mit Abb.).
Code 27172


Text: "Der Hetzredner.
Vieles ist faul und muß besser werden
Das weiß der Dümmste. Die Tat ändert die Wirklichkeit. Die schönsten Hetz-
reden aber prasseln an ihr ab. Und doch steht an jeder Ecke ein Hetzredner. Wer
aber heszt, wird Gründe dazu haben.

Der eine hetzt aus Freude am Gemeinen.
Und den soll man nicht auf einen goldenen Stuhl setzen. Wer die Wirklichkeit
bessern will, muß ihre guten Seiten ausbauen. Beim Hetzen aber darf man nur
die häßlichen Seiten nennen.

Ein anderer will im Trüben fischen.
Mit der rechten Hand weist er auf die böse ordnunghaltende Macht, und mit
der Linken fischt er im getrübten Wasser nach saftigen Brocken. Die Dummen
aber glauben seinen verlogenen Schlagworten und blicken in die Richtung der
rechten Hand. Wenn aber seine Taschen voll sind, dann verschwindet er.

Ein Dritter will sich ein Pöstchen erhetzen.
Wer am lautesten schimpft und am gemeinsten hetzt, dem geben die Dummen
einen Posten. Der Fachmann tut die nötige Arbeit, der Neuling aber streicht
schmunzelnd sein Gehalt ein; und wir alle zahlen sein Lehrgeld durch Steuern
und Mehrarbeit. Er aber lacht der dummen Versuchskarnickel.

Ein vierter schließlich hetzt aus Beruf.
Der Anständige wählt sich einen anständigen Beruf. Damit hilft er sich und
anderen. Der Hetzredner von Beruf aber hilft sich, indem er seinen Mitmenschen
durch ständiges Wiederholen krampfhaft zusammengesuchter Widerwärtigkeiten
daß Leben verbittert. Und wer sich das gefallen läßt, der verdient es nicht besser.

Die Waffe des Hetzredners ist das Schlagwort.
Schlagworte stammen aus Büchern, nicht aus der Wirklichkeit. Und wenn der
Hetzredner ans Ruder kommt, dann versagt er. Denn die Wirklichkeit verlangt
Kenntnisse und Erfahrung. Die Geführten aber rennen in den Abgrund.

Das Reich des Hetzredners ist das Unreine im Menschen.
In jedem schlummert Gewalttätigkeit. Der Nachdenkende unterdrückt sie, denn
seine Arbeit braucht Ruhe. Der Hetzredner aber weckt sie. Und je mehr zerstört
wird, desto leichter und schneller füllen sich seine Taschen.

Die Macht des Hetzredners zerschellt an den Besonnenen.
Der Dumme glaubt an den Hetzredner. Der Nachdenkende aber durchschaut die
Hintergedanken. Und so fragt er ihn: Hetzredner ! Jetzt sag' mir, hetzt Du aus
Beruf oder aus Gemeinheit?! Wenn Du uns helfen willst, so rede nicht, sondern
faß zu! Oder hast Du Angst, daß geordnete Verhältnisse Dich brotlos machen?"